Durchbruch bei der Therapie von Autoimmunerkrankungen: Verwendung von Spenderzellen in CAR-T-Zelltherapien

by Annika, 5.10.2024


In einem bahnbrechenden Ansatz zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wurden in klinischen Studien drei Patienten erfolgreich mit genetisch modifizierten Immunzellen behandelt. Diese Zellen, bekannt als CAR-T-Zellen, stammen nicht – wie bisher – von den Patienten selbst, sondern von gesunden Spendern. Dies markiert einen bedeutenden Fortschritt in der Entwicklung von Therapien für Erkrankungen, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe angreift.

 

Wie wurde das gemacht?

 

1.      Entnahme von T-Zellen

 

Die Forscher entnahmen zunächst T-Zellen von gesunden Spendern. T-Zellen sind Immunzellen, die eine entscheidende Rolle in der zellvermittelten Immunantwort des Körpers spielen. Sie erkennen und bekämpfen infizierte oder abnormal veränderte Zellen und sind entscheidend für die Regulierung anderer Immunzellen, einschließlich B-Zellen.

 

Bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen, wie in diesem Fall systemischer Sklerose und Myositis (siehe Infobox), sind es fehlgeleiteten B-Zellen, die Antikörper gegen das eigene Gewebe produzieren und dadurch Entzündungen bis hin zu massiven Gewebeschäden verursachen. Die eigene Immunabwehr ist oft nicht in der Lage, dieses Problem zu lösen, sodass die fehlgeleiteten B-Zellen im Körper aktiv bleiben und stetig weiter Schaden anrichten.

 

 2. Genetische Modifikation

 

Bevor nun die T-Zellen des Spenders in den Körper eines Patienten gelangen, müssen sie erst genetisch modifiziert werden, um ihre Fähigkeit zur Bekämpfung der schädlichen B-Zellen zu spezifizieren. Deswegen werden die T-Zellen mit Hilfe der CRISPR-Cas9-Technologie bearbeitet. CRISPR-Cas9 ist ein präzises gentechnisches Werkzeug, das es ermöglicht, spezifische Gene in einer Zelle gezielt zu schneiden und so das Erbgut an klar definierten Stellen zu verändern. Aus diesem Grunde nennt man dieses Werkzeug auch „Genschere“.

 

Mithilfe dieser Schere wurde nun ein sogenannter chimerischer Antigenrezeptor (CAR) in die T-Zellen eingefügt, sodass sogenannte CAR-T-Zellen entstehen. Dieser CAR ist so konzipiert, dass er spezifische Oberflächenproteine auf den B-Zellen erkennt (z. B. CD19). Durch die Modifikation werden die CAR-T-Zellen in der Lage, die kranken B-Zellen der Patienten möglichst selektiv zu identifizieren und sie gezielt anzugreifen.

 

 3. Infusion

 

Nach der genetischen Modifikation erfolgt die Infusion der CAR-T-Zellen in den Körper des Patienten. Die eingeschleusten Zellen wandern durch den Blutkreislauf und beginnen, die fehlgeleiteten B-Zellen anzugreifen. Der Erfolg hängt von der Fähigkeit der CAR-T-Zellen ab, im Körper zu überleben und die Aufgabe über einen längeren Zeitraum hinweg zu erfüllen.

 

 Beobachtung
Bei den klinischen Studien zeigte sich, dass die behandelten Patienten signifikante Verbesserungen in Bezug auf ihre Autoimmunerkrankungen aufwiesen. Bei den drei Teilnehmern wurde nicht nur eine deutliche Abnahme der fehlgeleiteten B-Zellen beobachtet, die für die Autoimmunreaktion verantwortlich sind, sondern auch eine Verringerung von Symptomatik und eine Verbesserung der Lebensqualität. Letzlich kam es zu einer Remission der Erkrankung.

 

 Was ist daran neu?

 

Die Verwendung von CAR-T-Zellen grundsätzlich ist nicht ganz neu. Diese Methodik wurde bereits erfolgreich bei der Behandlung von bestimmten Krebserkrankungen, z. B. bei Leukämie, eingesetzt. Bisher wurden jedoch die CAR-T-Zellen immer aus den eigenen Immunzellen der Patienten gewonnen. Dieser Prozess ist aufwendig und teuer, da jede Herstellung individuell angepasst werden muss und viel Zeit in Anspruch nimmt.

 

Die innovative Herangehensweise, Zellen von gesunden Spendern zu verwenden, ermöglicht es, die Herstellung der Zellen zu standardisieren und zu vereinfachen. Dadurch kann die Therapie kostengünstiger und breiter zugänglich gemacht werden. Zudem adressiert die genetische Modifikation der Spenderzellen die Problematik der Abstoßung durch das Immunsystem des Empfängers, was ansonsten ein häufiges Problem darstellt.

 

 Warum ist das bahnbrechend?

 

Die Ergebnisse dieser Studien zeigen das Potenzial, die Kosten und den Aufwand für die Herstellung von CAR-T-Zelltherapien erheblich zu senken. Da jetzt eine einzige Spende zur Herstellung von Therapien für eine Vielzahl von Patienten genutzt werden könnte, können entsprechende breit aufgestellte Immuntherapien entwickelt werden. Dies könnte den Zugang zu lebensverändernden Therapien für viele Menschen, die an schweren Autoimmunerkrankungen leiden, erheblich verbessern.

 

 Fazit

 

Die Entwicklung neuer Therapien wie der CAR-T-Zelltherapie für Autoimmunerkrankungen stellt einen bedeutenden Schritt in der medizinischen Forschung dar. Diese innovativen Ansätze bieten nicht nur Hoffnung für Patienten mit schweren Erkrankungen, sondern eröffnen auch neue Perspektiven für die Behandlung in der Zukunft. Die Fähigkeit, standardisierte und kostengünstige Therapien zu entwickeln, könnte die Lebensqualität und die Prognosen vieler Betroffener erheblich verbessern.

 

Gleichzeitig verdeutlicht dieser Fortschritt die zentrale Rolle der Grundlagenforschung, die notwendig ist, um die biologischen Mechanismen von Krankheiten und neuen Methodiken besser zu verstehen. Nur durch tiefe Einblicke in die komplexen Zusammenhänge des Immunsystems und der Erkrankungen können neue, zielgerichtete Therapien entwickelt werden, die langfristig eine Heilung in Aussicht stellen.

 


Quellen:

Mallapaty, S. nature - News  4 Oct 24. doi: https://doi.org/10.1038/d41586-024-03209-4
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Müller, F. et al. N. Engl. J. Med. 390, 687–700 (2024). doi: 10.1056/NEJMoa2308917

 

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