Trump gegen die Wissenschaft

von Annika

Es beginnt wie eine Posse: Donald Trump echauffiert sich darüber, dass die Biden-Regierung angeblich acht Millionen Dollar für die Forschung an „Transgender-Mäusen“ ausgegeben hat, die nun selbstverständlich gestrichen wird. Die rechte Mediensphäre jubelt, die Meme-Maschine läuft heiß, und viele lachen kurz über den offensichtlichen Fehler: Trump scheint nicht zwischen transgender (eine Geschlechtsidentität) und transgen (genetisch veränderte Organismen) unterscheiden zu können. Doch hinter dieser Anekdote steckt eine gezielte Strategie, die weitreichende Konsequenzen hat: Wissenschaft soll mundtot gemacht werden.

 

Einen Tag später stärkt das Weiße Haus seinem Präsidenten den Rücken und listet mit einer Wortwahl, die einer Regierungsinstitution nicht würdig ist, „Transgender animal experiments“ und deren angebliche Kosten auf. Tatsächlich handelt es sich um biomedizinische Grundlagenforschung, die untersucht, wie Hormone das Immunsystem, die Krebsentstehung oder Atemwegserkrankungen beeinflussen – also um Studien mit direkter medizinischer Relevanz. Anstatt sich mit den eigentlichen Inhalten auseinanderzusetzen, wird der Begriff verzerrt, um Forschungsgelder als angebliche „Verschwendung“ darzustellen und spätere Kürzungen zu rechtfertigen.

 

Was genau steckt hinter diesen Studien?

 

Schaut man sich die Forschungsprojekte an, die vom Weißen Haus ins Visier genommen wurden, zeigt sich schnell: Es handelt sich um ernsthafte wissenschaftliche Untersuchungen mit hohem medizinischem Wert. Hier einige Beispiele:

 

  • Hormontherapie und HIV-Immunantwort

    Diese Studie untersucht, wie geschlechtsspezifische Hormone die Immunantwort auf eine HIV-Impfung beeinflussen. Dies ist besonders relevant, da hormonelle Unterschiede nachweislich die Immunreaktion beeinflussen und Personen aufgrund hormoneller Behandlungen möglicherweise andere Impfreaktionen, was für die Entwicklung effektiver Impfstrategien von Bedeutung ist.

  • Steroidhormon-Veränderungen und Fruchtbarkeit

    Hier geht es um die langfristigen Folgen von Steroidhormonen auf die Eierstockstruktur und Eizellbildung. Solche Studien liefern Erkenntnisse für Patientinnen, die etwa hormonelle Behandlungen gegen Endometriose oder zur Fruchtbarkeitsunterstützung erhalten. Die untersuchten Mechanismen sind grundlegend für das Verständnis hormoneller Einflüsse auf die reproduktive Gesundheit.

  • Testosterontherapie und Brustkrebsrisiko

    In dieser Untersuchung wird getestet, ob eine Testosterontherapie das Brustkrebsrisiko beeinflusst. Testosteron wird in der Medizin u. a. bei Hormonersatztherapien und bestimmten Krebserkrankungen eingesetzt. Das Mausmodell hilft zu klären, wie sich Hormonveränderungen auf Tumorbildung und Behandlungsergebnisse auswirken.

  • Mikrobiom und geschlechtsspezifische Hormontherapie

    Diese Forschung analysiert, wie Hormonveränderungen die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen. Das Mikrobiom spielt eine entscheidende Rolle für das Immunsystem, die Verdauung und sogar psychische Gesundheit. Die Erkenntnisse könnten langfristig zu besseren personalisierten Therapien führen.

  • Androgene und das neuroendokrine System

    Hier wird untersucht, wie männliche Sexualhormone (Androgene) bestimmte Hirnregionen beeinflussen, die den Hormonhaushalt steuern. Solche Mechanismen spielen eine Rolle bei hormonellen Störungen und neuroendokrinen Erkrankungen.

  • Geschlechtshormone und Asthma

    Diese Studie erforscht, ob estrogene Hormone Asthmasymptome beeinflussen. Frauen leiden häufiger an Asthma als Männer, was mit hormonellen Unterschieden zusammenhängen könnte. Erkenntnisse hieraus könnten helfen, gezieltere Therapien für Betroffene zu entwickeln.

 

Diese Projekte haben also nichts mit „Transgender-Mäusen“ zu tun, die es ganz nebenbei bemerkt ja auch gar nicht gibt, sondern betreffen medizinisch hochrelevante Fragestellungen. Die Forschungsergebnisse könnten helfen, Impfstoffe zu verbessern, Krebs effektiver zu behandeln oder Asthma gezielter zu therapieren. Doch indem das Weiße Haus diese Studien bewusst verzerrt darstellt, wird nicht nur wissenschaftliche Arbeit diffamiert – es wird auch der Grundstein dafür gelegt, solche Forschungsfelder weiter auszutrocknen.

 

Auf meinem Social-Media-Kanal werde ich in den kommenden Wochen einige dieser Studien genauer beleuchten und erklären, warum ihre Ergebnisse für Medizin und Gesellschaft von großer Bedeutung sind.

 

 

Ein gezielter Angriff auf Wissenschaft und Forschung

 

Innerhalb weniger Wochen hat Trump systematisch Budgets gekürzt, Forschungseinrichtungen geschwächt und wissenschaftliche Beratungsgremien aufgelöst. Die Folgen sind dramatisch:

 

1. Massiver Stellenabbau in Wissenschaftsbehörden

 

Je nach Behörde fallen bis zu 65 % der Stellen weg – darunter bei der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), die für Klimaforschung zuständig ist, der Environmental Protection Agency (EPA), die Umweltschutzrichtlinien umsetzt, und den National Institutes of Health (NIH), einer der weltweit bedeutendsten Forschungsinstitutionen für Medizin. Weniger Personal bedeutet weniger Forschung, weniger Umweltkontrollen und weniger wissenschaftliche Innovationen.

 

2. Milliardenkürzungen für Universitäten

 

US-Universitäten verlieren bis zu 5 Milliarden Dollar an Fördergeldern. Viele Hochschulen finanzieren ihre Forschung über staatliche Zuschüsse, die neben den eigentlichen Studien auch Infrastruktur, Labore und Personalkosten abdecken. Die drastischen Kürzungen führen dazu, dass Forschungsprojekte gestoppt werden, Studiengebühren steigen und weniger Nachwuchswissenschaftler ausgebildet werden. Besonders betroffen sind öffentliche Universitäten, die stark von diesen Geldern abhängen.

 

Ein Beispiel: Die Trump-Regierung wollte die sogenannten indirekten Kosten für NIH-Forschungszuschüsse kürzen. Diese Gelder werden von Universitäten genutzt, um die grundlegenden Kosten für Forschungslabore, Sicherheitsstandards und Verwaltung zu decken. Die NIH plante, diese Zahlungen von 50 % auf nur noch 15 % zu reduzieren, was viele Forschungsstandorte an den Rand des finanziellen Kollapses gebracht hätte. Eine Klage von 22 Bundesstaaten und Universitätsverbänden konnte dies vorerst stoppen, da ein Gericht urteilte, dass dieser plötzliche Mittelentzug rechtswidrig sei und eine Gefahr für laufende klinische Studien darstelle. Doch die Unsicherheit bleibt: Jeder neue Versuch, Forschungsgelder auf diese Weise zu beschneiden, bedroht langfristig den wissenschaftlichen Fortschritt.

 

3. Zensur von wissenschaftlichen Daten

 

Webseiten von Bundesbehörden wurden systematisch von Informationen zu Klimawandel, Gesundheitsrisiken oder wissenschaftlichen Erkenntnissen gesäubert. Dies betrifft unter anderem die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die bislang transparente Daten zu Pandemien und Umwelteinflüssen bereitgestellt haben. Auch auf offiziellen Regierungsseiten wurden Begriffe wie „Klimawandel“ entfernt oder durch verharmlosende Umschreibungen ersetzt. Ein besonders kritischer Punkt: Forschungsdaten, die öffentlich zugänglich waren, verschwinden aus Datenbanken, was Wissenschaftler daran hindert, Analysen auf Basis langfristiger Messungen durchzuführen. Gerade in der Klimaforschung sind Langzeitdaten essenziell, um Trends und Veränderungen sichtbar zu machen.

 

 

Das ist keine chaotische Politik, sondern eine gezielte Strategie

 

Es geht nicht um Budgeteinsparungen oder Effizienz. Vielmehr sollen unliebsame Wissenschaftszweige bewusst ausgetrocknet werden – insbesondere solche, die nicht ins ideologische Weltbild passen, wie Klimaforschung, Geschlechterforschung oder epidemiologische Studien. Wer sich nicht an die politisch gewollte Deutung hält, riskiert den Verlust von Fördermitteln oder gar den Arbeitsplatz.

 

Diese Strategie gefährdet nicht nur den wissenschaftlichen Fortschritt, sondern hat auch direkte Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und technologische Innovationen. Wissenschaft ist kein politisches Werkzeug – sie basiert auf Fakten, nicht auf Ideologie.

 

Die Konsequenzen

 

1. Gesundheitliche Gefahren

 

Wenn wissenschaftliche Forschung unterdrückt oder durch finanzielle Engpässe ausgebremst wird, hat das direkte Auswirkungen auf die medizinische Versorgung und den technologischen Fortschritt. Ohne ausreichende Förderung und eine offene Wissenschaftskultur verlangsamt sich die Entwicklung lebenswichtiger Medikamente und Impfstoffe. Besonders dramatisch zeigt sich dies im Bereich der Infektionskrankheiten. Forschungszentren wie die National Institutes of Health (NIH) und die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) sind maßgeblich an der Entwicklung und Überwachung neuer Impfstoffe beteiligt. Werden ihre Budgets gekürzt oder ihre Forschung eingeschränkt, könnte sich das fatal auf künftige Pandemien auswirken.

 

Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung neuer Impfstoffe gegen Mutationen von Viren wie COVID-19 oder Influenza. Solche Impfstoffe erfordern kontinuierliche Forschung und klinische Studien. Werden diese finanziell ausgehungert oder durch politische Einflussnahme behindert, könnten sich neue Krankheitsausbrüche unkontrolliert ausbreiten. Die Verzögerung bei der Impfstoffentwicklung würde dazu führen, dass Menschen unnötig erkranken oder sterben, weil dringend benötigte medizinische Innovationen nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen.

 

 

2. Verlust der global vernetzten Wissenschaft

 

Die USA waren jahrzehntelang eine der weltweit führenden Nationen in Wissenschaft und Innovation. Amerikanische Forschungseinrichtungen ziehen hochqualifizierte Wissenschaftler aus aller Welt an, die durch ihre Arbeit entscheidend zur Weiterentwicklung der modernen Medizin, Physik, Ingenieurswissenschaften und Umweltforschung beitragen. Doch wenn staatliche Förderung wegfällt und wissenschaftliche Institutionen politisiert oder eingeschränkt werden, verlieren die USA ihre Attraktivität als globales Forschungszentrum. Internationale Kooperationen mit europäischen, asiatischen oder anderen amerikanischen Forschungseinrichtungen sind für viele Fachbereiche aber essenziell. Klimaforschung, epidemiologische Studien oder medizinische Innovationen basieren oft auf länderübergreifendem Datenaustausch. Wenn sich die USA durch Budgetkürzungen oder ideologische Restriktionen aus diesen Netzwerken zurückziehen, schwächt das die Wissenschaft weltweit. Bereits jetzt zeigen Berichte, dass immer mehr hochqualifizierte Forscher in europäische oder asiatische Forschungslabore abwandern, weil sie in den USA nicht mehr die nötige Unterstützung erhalten.

 

 

3. Gefährdung der Demokratie

 

Eine funktionierende Demokratie basiert auf einer informierten Öffentlichkeit und faktenbasierten politischen Entscheidungen. Wissenschaft spielt dabei eine zentrale Rolle, indem sie objektive, datenbasierte Erkenntnisse liefert, auf deren Grundlage Gesetze, Umweltschutzmaßnahmen oder Gesundheitspolitiken entwickelt werden. Wenn Forschungsdaten zensiert oder Behörden aufgelöst werden, fehlt diese wissenschaftliche Grundlage, und politische Entscheidungen werden zunehmend auf Ideologie statt auf Fakten gestützt. Ein konkretes Beispiel hierfür ist der Umweltschutz. Wenn wissenschaftliche Studien zu Luftverschmutzung, Wasserqualität oder Klimawandel nicht mehr finanziert oder von Regierungsseiten gelöscht werden, gibt es keine verlässlichen Daten mehr, auf deren Basis umweltpolitische Maßnahmen getroffen werden können. Die Folge: Schutzmaßnahmen werden abgeschwächt oder aufgehoben, weil keine aktuellen Studien die Notwendigkeit solcher Maßnahmen belegen können. Dies spielt insbesondere wirtschaftlichen Interessen in die Karten, die an weniger strengen Umweltauflagen interessiert sind.

 

Gleichzeitig schwächt eine solche Politik das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft und Institutionen. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse gezielt ignoriert oder manipuliert werden, entsteht ein Klima des Misstrauens, in dem Desinformation gedeihen kann. Wissenschaft ist kein politisches Werkzeug – sie basiert auf objektiven Fakten und empirischer Forschung. Ihre Unterdrückung bedeutet nicht nur eine Gefahr für den Fortschritt, sondern auch für die Stabilität demokratischer Gesellschaften. Wer der Wissenschaft den Boden entzieht, fördert gezielt Unwissenheit und Unsicherheit in der Öffentlichkeit. Wenn Forschung nicht mehr frei betrieben werden kann, verlieren wir alle.

 

 

Was bleibt?

 

Die Wissenschaftsgemeinschaft beginnt sich zu wehren. In den USA formieren sich Proteste, Forschungseinrichtungen suchen juristische Wege, um ihre Finanzierung zu sichern, und offene Briefe von Wissenschaftsverbänden mahnen an, dass derartige Eingriffe langfristige und irreversible Folgen haben werden. Doch viele Forschende befinden sich in einer Schockstarre.

 

Das Problem ist nicht nur, dass Mittel gestrichen werden oder Stellen verloren gehen – es ist die Tatsache, dass einmal zerstörte wissenschaftliche Infrastruktur nicht einfach wiederhergestellt werden kann. Forschungslabore, Datenbanken, internationale Kooperationen – all das kann nicht auf Knopfdruck zurückkehren, wenn es einmal zerschlagen wurde. Ganze Generationen von Nachwuchswissenschaftlern werden durch den massiven Stellenabbau entmutigt oder gezwungen, in andere Länder auszuweichen. Viele Forschungsfelder, insbesondere solche mit langfristigen Studien, könnten so stark ausgedünnt werden, dass ihr Wiederaufbau Jahrzehnte dauern würde.

 

Noch schwerwiegender ist jedoch der gesellschaftliche Wandel, der durch die Aushöhlung der Wissenschaft vorangetrieben wird. Wenn Forschung politisiert wird und ideologisch unliebsame Themen gezielt unterdrückt werden, entsteht ein Klima, in dem sich wissenschaftliche Fakten zunehmend nach der Agenda der Regierenden richten müssen. Die Folgen reichen von schlechterer Gesundheitsversorgung bis hin zu einer Schwächung der Demokratie selbst. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse nicht mehr als Orientierung für politische Entscheidungen dienen, sondern als Bedrohung betrachtet werden, verliert eine Gesellschaft ihren rationalen Kompass.

 

Lachen wir also ruhig über die "Transgender-Mäuse"-Anekdote, aber vergessen wir nicht, dass sie nur ein Symptom einer viel größeren Entwicklung ist. Eine Entwicklung, die zeigt, was passiert, wenn Wissenschaft nicht mehr als Grundlage für Fortschritt und Erkenntnis dient, sondern als Feindbild betrachtet wird.

 

Wenn Forschung nicht mehr frei betrieben werden kann, verlieren wir alle. Doch wir dürfen uns nicht an diesen Zustand gewöhnen. Wissenschaft lebt durch diejenigen, die sie verteidigen. Es liegt an Forschern, Institutionen und der Gesellschaft als Ganzes, sich gegen diese Entwicklung zu stemmen. Eeine Entwicklung, die uns zu einem Zitat von George Orwell aus dem Roman 1983 führt:

"Ignorance is Strength"

 

 


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