von Annika
Das Leben beruht auf einer sehr klaren strukturellen Hierarchie, die allen Lebensformen unserer Welt gemein ist. Viele unterschiedliche Atome, die Grundbausteine jedweder Materie, schließen sich zusammen zu Molekülen, z.B. Proteinen. Diese wiederum organisieren sich in winzigen Strukturen, wie Zellmembran oder Zellorganellen, die sich wiederum zu einer Zelle zusammenfügen, der kleinsten eigenständig lebenden Einheit. Ähnliche Zellen schließen sich zu Geweben zusammen, während unterschiedliche Gewebe ein Organ bilden, die wiederum gemeinsam einen komplexen Organismus, z.B. einen Menschen, darstellen.
Diese strukturelle Hierarchie benötigt einen Bauplan, oder eine Anweisung, die aufzeigt, wie die einzelnen Bausteine zusammen gesetzt werden müssen. Ein einziges Molekül vermag es, diese scheinbar unlösbare Aufgabe zu erfüllen: die DNA.
Die DNA ist ein langkettiges Molekül, welches im Wesentlichen aus vier chemischen Bausteinen besteht. Diese Bausteine gleichen im Grundprinzip unserem Alphabet und könnten als das ABC des Lebens bezeichnet werden. Nur 26 Buchstaben ermöglichen uns, ganze Bibliotheken mit Wissen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu füllen. Es kommt allein darauf an, wie sie angeordnet sind. Die Reihenfolge dieser chemischen Buchstaben schreibt auf unsere DNA ein einzelnes Wort, ein Gen. Auf einem DNA-Strang liegen allerdings weit mehr Gene. Würde man die gesamte Genbibliothek einer einzelnen menschlichen Zelle in normaler Schriftgröße in ein Buch drucken, erhielte man etwa 100 Bücher im Umfang der Bibel. Diese Bücher enthielten Informationen über den menschlichen Bauplan, sämtliche Stoffwechselvorgänge in den unterschiedlichsten Zell- und Gewebetypen sowie individuelle Merkmale dieses einen bestimmten Menschen. Dabei gilt, nicht jede Zelle nutzt die gleichen Gene. Sämtliche Gene können, je nach Bedarf, einzeln ein und aus geschaltet werden. Deren Information kann also genutzt werden oder auch eben nicht. Ganz so, wie es gerade erforderlich ist. Unterschiedliche Mechanismen betätigen diesen Ein/Aus-Schalter und auch diese Mechanismen selbst sind wiederum genetisch festgelegt.
Grundlegende Erkenntnisse über den genauen Aufbau und die Funktionsweise der DNA wurden aber natürlich nicht an komplexen menschlichen Zellen gemacht, sondern sind das Ergebnis langjähriger Untersuchungen an Bakterien. Bakterien sind im Prinzip ein winziger Flüssigkeitstropfen, umschlossen von einer Zellwand. In dieser Flüssigkeit, dem Cytoplasma, liegt ganz klein zusammengeknäuelt die DNA und einige Ribosomen die zum ablesen der DNA nötig sind. Außerdem schwimmen hier unterschiedliche gelöste organische und anorganische Verbindungen. Mehr bedarf es nicht zur eigenständigen Lebensfähigkeit.
Das am besten untersuchte Bakterium ist E. coli. Hierbei handelt es sich um ein Darmbakterium, dessen Genom im Jahre 1997 vollständig entschlüsselt wurde. Diese Entschlüsselung dauerte 15 Jahre und offenbarte 4,7 Mio Basenpaare, also chemische Buchstaben, die etwa 4400 Gene bilden. Die Länge des DNA-Moleküls liegt entfaltet etwa bei der 1000-fachen Größe des Durchmessers des Bakteriums. Jedes Gen stellt im Prinzip den Bauplan für ein bestimmtes Protein dar, das mithilfe der Ribosomen zusammengesetzt wird.
Die langjährige Forschung an diesem kleinen Bakterium ließ uns verstehen, wie das Ablesen und Umsetzten der Gene im Prinzip funktioniert: Jede Information zum Bau eines Proteins ist mit einem Start-Zeichen und einem Ende-Zeichen versehen. Wird das Startzeichen erkannt und aktiviert, wird das Gen bis zum Ende abgelesen und das entsprechende Protein gebaut. Was genau zwischen Start und Ende eines Gens liegt ist variabel und austauschbar.
Und an dieser Stelle beginnt die Geschichte der Gentechnik, mit deren Hilfe es möglich ist, die DNA in sofern zu ändern, dass z.B. ein Wunschprotein von der Zelle produziert wird. Hierfür muss nur das gewünschte Gen in die DNA der produzierenden Bakterie eingebaut werden. Das Hauptwerkzeug hierbei sind sogenannte Plasmide. Dabei handelt es sich um kurze ringförmige DNA Moleküle, die unabhängig vom Bakteriengenom in der Zelle vorliegen, aber trotzdem bei einer Zellteilung an die Nachkommen vererbt werden. In der Natur dienen Plasmide dem horizontalen Gentransfer. Dabei tauschen aufeinandertreffende Bakterien, auch unterschiedlicher Art, Erbinformationen miteinander aus, indem sie Plasmide in das Cytoplasma des Gegenübers injizieren. Dadurch erzielen sie eine sehr schnelle Anpassungsfähigkeit an sich verändernden Lebensbedingungen, wie z.B. Antibiotikaresistenzen. Diesen Mechanismus findet man fast ausschließlich bei Bakterien und er erklärt die oft sprunghafte Veränderung ganzer Bakterienstämme.
In der Gentechnik werden mit unterschiedlichen Methoden künstlich Plasmide erzeugt und in Bakterien eingeschleust. Auf diesen Plasmiden liegt nicht nur das Gen für das Protein, das erzeugt werden soll, sondern auch ein Gen für eine bestimmte Antibiotikaresistenz. Die mit dem Plasmid infizierten Bakterien werden anschließend in ein Nährmedium übertragen, das dieses Antibiotikum enthält. Alle Bakterien, die hier noch wachsen können, tragen auch das Zielgen und vererben es an sämtliche Nachkommen. Unterschiedliche Proteine können mit dieser Methode in großen Mengen produziert werden. Menschliches Insulin zur Behandlung von Diabetes ist sicher das bekannteste Produkt der Bakterienfabriken, aber auch Vitamine oder Substanzen zur Herstellung biologischer Kunststoffe werden auf diesem Wege produziert.
Die Möglichkeiten der Gentechnik sind in den letzten Jahrzehnten massiv vorangeschritten. Das Ziel genetischer Manipulationen sind längst nicht mehr nur Bakterien. Auch höhere Organismen werden inzwischen gentechnisch verändert. Die grüne Gentechnik steht hierbei oftmals im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen sollen mehr Nährstoffe produzieren oder resistenter gegen Schädlinge und somit deutlich ertragreicher sein.
Selbst humane Gentechnik ist längst nicht mehr Science-Fiction. Erste gentherapeutische Maßnahmen an Menschen sind in Europa seit 2012 zugelassen. Ziel einer solchen Therapie ist das gezielte ersetzten eines defekten Gens durch seine Ursprungsform. Genetisch determinierte Krankheiten könnten theoretisch mit einer solchen Methode geheilt werden.
Am Ende verdanken wir solche wissenschaftlichen Errungenschaften sehr hartnäckigen Forschern, die 15 Jahre lang das Genom eines simplen Darmbakteriums studieren.
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